TK: Herr Krietenstein, der Koalitionsvertrag ist da und ein wichtiges Thema ist der Zugang zum Gesundheitssystem. Auch Union und SPD planen ein digitales Tool zur Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs. Warum ist das so wichtig und wie stellt sich die TK das vor?

Christoph Krietenstein: Wir alle wissen, wie schwer es manchmal ist, einen Arzttermin zu finden. Auch die Versicherten spiegeln uns immer wieder die Unzufriedenheit mit der Situation. Andere fühlen sich im System verloren und sind in Behandlungen, die für ihre Beschwerden möglicherweise nicht die richtigen sind. Eine zentrale Frage für die neue Legislaturperiode muss daher lauten: Wie können wir den Zugang zum System so gestalten, dass die Patientinnen und Patienten schneller dorthin kommen wo ihnen geholfen wird und die ärztlichen Ressourcen bestmöglich genutzt werden. Hier kann aus unserer Sicht eine standardisierte digitale Ersteinschätzung eine wichtige Rolle spielen.

Chris­toph Krie­ten­stein

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Teamleiter Versorgungsmanagement Angebote bei der TK

Wir sind froh, dass auch die Politik diese Idee aufgenommen hat und umsetzen will. Das Tool kann die Patientinnen und Patienten dabei unterstützen, die richtige Versorgungsebene für ihre Beschwerden zu finden. Wichtig ist: Die Ersteinschätzung muss verpflichtend und einheitlich sein, egal wo der Erstkontakt mit dem Gesundheitssystem stattfindet. Und auch darüber hinaus ist wichtig, andere Versorgungsformen stärker zu etablieren, zum Beispiel digital gestütztes Selbstmanagement bei leichten Fällen, damit in den Praxen mehr Zeit für komplexe Fälle bleibt. Nicht immer ist der klassische Arzt-Patientenkontakt nötig.

TK: Wie muss man sich so ein digitales Selbstmanagement vorstellen und was ist dabei wichtig?

Christoph Krietenstein: Digitales Selbstmanagement umfasst im Wesentlichen Angebote, die man zu Hause ohne ärztliche Konsultation in Anspruch nehmen kann. Das ist übrigens auch eine mögliche Ebene, in die das Ersteinschätzungs-Tool beispielsweise führen kann - natürlich nur wenn es zum jeweiligen gesundheitlichen Anliegen passt. Ziel der Ersteinschätzung muss dabei sein, den Menschen zu passgenau Angebote zu führen. Und das kann auch mal ein telemedizinischer Chat, eine Videosprechstunde oder eine App sein. Wir als TK sind auf diesem Feld sehr aktiv und bemühen uns, möglichst viele Anwendungen im Sinne unserer Versicherten zu entwickeln.

TK: Können Sie Beispiele von solchen TK-Angeboten nennen?

Christoph Krietenstein: Wir bieten schon heute ein recht großes Portfolio an digitalen Anwendungen zum Selbstmanagement, sind aber immer auf der Suche, weitere Angebote für unsere Versicherten zu entwickeln. So können beispielsweise mit dem TK-OnlineHautcheck Fotos auffälliger Hautstellen eingereicht und von Hautärztinnen und Hautärzten begutachtet werden. DocRobin bietet eine digitale Zweitmeinung vor Kniegelenk-Ersatzoperationen und das TK-Online-Schlaftraining Hilfestellungen bei Schlafstörungen. Die Migräne-App unterstützt Patientinnen und Patienten dabei, ihre Erkrankung besser zu verstehen und zu managen und eCovery bietet bei Knie-, Rücken- und Hüftbeschwerden eine digitale Physiotherapie. Mit dem TK-Coach bieten wir etwas für die Bereiche Bewegung, Ernährung und Entspannung. Die TK-Babyzeit unterstützt werdende Eltern in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensmonaten des Kindes. 

TK: Was müssen politisch die nächsten Schritte sein, um ein geordnetes und funktionierendes Zugangssystem zu etablieren?

Christoph Krietenstein: Der Koalitionsvertrag sieht ein Primärversorgungssystem vor, das ist ein guter Schritt für klarere Strukturen in der Versorgung. Damit es bei den Hausärztinnen und Hausärzten aber nicht zu Engpässen kommt, ist die digitale Ersteinschätzung so wichtig. Die Politik muss getreu dem Grundsatz digital vor ambulant vor stationär ein Konzept erarbeiten, wie die Versorgung für alle Beteiligten, insbesondere aber für den Patientinnen und Patienten, gut und effektiv gelingen kann. Im Kern geht es darum, die medizinischen und ärztlichen Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Dazu gehört aus unserer Sicht die Einführung der digitalen standardisierten Ersteinschätzung. Zudem muss es eine Termin-Plattform geben, an die Ärztinnen und Ärzte Termine melden. So kann aus der Ersteinschätzung eine effektive Terminvermittlung für nötige Arzt-Patienten-Kontakte erfolgen.