Es herrscht Wahlkampf in Deutschland. Und auf Grund der vorgezogenen Bundestagswahl läuft der Kampf um die Wählerstimmen parallel zum Karneval. Während sich die Karnevalistinnen und Karnevalisten aktuell wegen der politischen Steilvorlagen die Hände reiben, kommt aus meiner Sicht ein Thema in den Diskussionen viel zu kurz: die Gesundheitspolitik. Die kommende Bundesregierung muss den Reformstau im Gesundheitswesen endlich angehen. Die TK hat dazu Vorschläge für sechs wichtige Themenfelder entwickelt, die auch für die Gesundheitsversorgung im Saarland beeinflussen können.

Finanzierung

Die finanzielle Situation in der gesamten GKV ist mehr als angespannt, weil die Ausgaben viel stärker als die Einnahmen steigen. Durch die zuletzt stark gestiegenen Zusatzbeiträge spüren alle GKV-Versicherten, dass sich in diesem Bereich etwas ändern muss - auch im Saarland. Für die GKV-Finanzen muss es ein Sofortprogramm geben, aber auch langfristige Maßnahmen müssen endlich angegangen werden, um ungenutzte Effizienz-Potenziale zu heben. Dabei müssen vor allem die stark steigenden Ausgaben in den Blick genommen werden. 

Stefan Groh

Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiter der TK-Landesvertretung Saarland

Ein weiterer wichtiger Punkt wird schon seit Jahren diskutiert: die auskömmliche Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen. Beispiele hierfür sind die Beiträge von Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld sowie die Finanzierung des geplanten Transformationsfonds im Krankenhausbereich, der zur Hälfte aus Beitragsgeldern gespeist werden soll. Für diese gesamtgesellschaftlichen Aufgaben muss der Bund endlich seiner Verantwortung gerecht werden.

Zugang zur medizinischen Versorgung

Aktuell sind viele Strukturen des Gesundheitssystems überaltert und vor allem historisch gewachsen. Aus TK-Sicht muss der Bedarf der Patientinnen und Patienten viel mehr im Mittelpunkt stehen. Das fängt bei einer sektorenübergreifenden Bedarfsplanung an und hört bei einer digitalen und schnelleren Terminvergabe auf. Grundvoraussetzung hierfür ist eine bessere Kooperation zwischen den verschiedenen Leistungserbringern. Dabei helfen können innovative Technologien, Künstliche Intelligenz und Telemedizin. 

Ein wichtiger weiterer Schritt wäre die Einführung einer digitalgestützten Patientensteuerung. Durch eine Ersteinschätzung können die Patientinnen und Patienten so in die individuell passende Versorgungsstruktur gesteuert werden. Das schafft Effizienzen und sorgt für eine Entlastung der Arztpraxen.

Im Saarland gibt es erste vorsichtige Schritte, die nun konsequent weiterentwickelt und -gegangen werden müssen. So sind etwa Kooperationen der je zwei Kliniken in Saarbrücken und Saarlouis geplant. Solche Ansätze begrüßen wir, auch wenn sie aus unserer Sicht in Zukunft noch deutlich ausgeweitet werden sollten. Außerdem ist etwa durch die Planung des Gesundheitscampus Winterberg am Klinikum Saarbrücken eine engere Verzahnung der Sektoren und eine verstärkte Ambulantisierung in Arbeit. Diese Projekte können je nach Umsetzung als Blaupause für andere Strukturen dienen.

Wettbewerb

Die Politik muss der Selbstverwaltung wieder mehr Gestaltungsspielräume überlassen, denn ein wirklicher Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fördert Innovation und Effizienz. Dazu brauchen die Krankenkassen mehr Möglichkeiten. In diesem Zuge müssen beispielsweise die aktuellen Einschränkungen bei der Prüfung von Krankenhausrechnungen und die starren Vertragsbedingungen für Hilfsmittel dringend zurückgenommen werden.

Auch der Wettbewerb zwischen privater (PKV) und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) ist aktuell ungleich. Während die PKV deutlich mehr Gestaltungsspielräume besitzt, muss die GKV finanzielle Lasten für das Gesamtwohl stemmen. Das ist unfair und vor allem unsolidarisch, weil damit die Besserverdienende der PKV nicht belastet werden, aber Menschen mit kleineren Einkommen verhältnismäßig mehr belastet werden. Aus Sicht der TK muss hier also das Beste aus beiden Welten zusammengeführt werden: Das Solidarprinzip, der Verzicht auf Risikoselektion, keine Gewinnerzielungsabsicht sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot aus der GKV sowie der Schutz der Rücklagen und größere vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten aus der PKV.

Außerdem ist endlich ein einheitliches und transparentes Aufsichtshandeln erforderlich. Denn nur wenn Regeln einheitlich für Kassen unter der Aufsicht des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) sowie für Kassen unter Landesaufsicht gelten, kann es einen fairen Wettbewerb geben.

Digitalisierung

Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle sind wir einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Sie muss der zentrale Dreh- und Angelpunkt in einem modernen und digitalen Gesundheitswesen sein. Dafür muss sie aber flexibler und der Zugang für die Versicherten komfortabler gestaltet werden. Darüber hinaus müssen Routinedaten endlich schneller bei den Krankenkassen ankommen. Dann ist eine intelligente Datennutzung im Sinne der Versicherten möglich. Zusätzlich müssen digitale Services ausgebaut werden, wie etwa eine bundesweit einheitliche Terminplattform.

Im Saarland sind sich die Politik, Leistungserbringer und Kassen einig, dass die Digitalisierung eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen der Zukunft einnehmen wird. Hier müssen alle Beteiligten weiter an einem Strang ziehen, um die Potenziale auch wirklich zu heben.

Pflege

Im Bereich Pflege sind die Problemfelder schon lange bekannt. Ein wichtiger Faktor ist es, die soziale Pflegeversicherung finanziell zu entlasten. Dazu gehört auch hier vor allem die Refinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben. Darüber hinaus muss die Pflege unbürokratischer werden. Dabei kann zum einen die Digitalisierung helfen, zum anderen einfachere Regelungen beispielsweise beim Entlastungsbetrag. Hier wäre ein jährliches Budget komfortabler und vor allem variabler einsetzbar als der derzeitige Monatsbetrag.

Auch die Suche nach freien Pflegeplätzen muss komfortabler werden. Es braucht ein bundesweites Informationsportal, in das alle Anbieter freie Kapazitäten melden müssen. Daneben muss auch weiterhin über die Attraktivität der Pflegeberufe gesprochen werden. Nur wenn diese gesteigert wird, kann es auch gelingen, das so dringend benötigte Personal zu gewinnen.

Im Saarland ist man auch hier mit der konzertierten Aktion Pflege auf dem Weg. Die bisher erreichten Meilensteine sind dabei ein wichtiger erster Schritt. Doch der Weg ist noch lang. Aus TK-Sicht ist es auch im Saarland wichtig, dass pflegebedürftige Menschen, wenn sie es wollen, länger zu Hause wohnen können. Mit Blick auf die Demografie und die Zahl der Pflegeplätze ist es elementar, auch mehr digitale und smarte Lösungen im häuslichen Umfeld zu fördern. 

Prävention und Nachhaltigkeit

Immer mehr Menschen leiden unter sogenannten Volkskrankheiten wie Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gerade im Saarland ist die Zahl der Betroffenen verhältnismäßig hoch. Daher muss der Health-in-all-policies-Ansatz weiter vorangetrieben werden. Bessere Rahmenbedingungen sind vor allem in den Bereichen Kitas, Schulen und Kommunen nötig, denn in diesen Lebenswelten erreicht man die Menschen am besten, um die körperliche und mentale Gesundheit zu stärken. Darüber hinaus spielen auch in diesem Feld Gesundheitsdaten eine wichtige Rolle. Aus ihnen lassen sich individuelle Risiken erkennen und maßgeschneiderte Präventionsmaßnahmen ableiten.

Im Saarland arbeiten wir in diesem Bereich gut mit dem Verein Prävention und Gesundheit im Saarland (PuGiS) zusammen, trotzdem könnte mit mehr politischem Engagement auch noch mehr gehen. Das gilt auch für die verschiedenen Lebenswelten. Wir als TK bieten viele passende und evaluierte Angebote an, beispielsweise für Schulen und Kitas. Sie müssen aber an die entsprechenden Stellen übermittelt und dann auch eingesetzt werden. Hier gibt es aus unserer Sicht noch viel Potenzial.

Auch das Thema Klimaschutz spielt beim Thema Prävention eine wichtige Rolle. Der Anstieg von Hitzetagen, eine höhere Feinstaubbelastung und psychische Folgen aus Extremwetterereignissen sind dabei nur drei Beispiele, wie sich der Klimawandel auf die Gesundheit der Menschen auswirkt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Nur in einer gesunden Umwelt können Menschen gesund leben. Es ist also ein interdisziplinärer Ansatz gefordert, um die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt gleichzeitig zu schützen.