Wie schaut der Minister auf die Bundestagswahl?
Interview aus Saarland
Auch Dr. Magnus Jung, saarländischer Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit, blickt gespannt auf die anstehende Bundestagswahl. Im Interview verrät er, welche gesundheitspolitischen Themen aus saarländischer Sicht ganz oben auf der Agenda der neuen Regierung stehen sollten. Darüber hinaus erläutert er, wie er die drängendsten Probleme im Bereich Gesundheit auf Bundesebene angehen würde.

TK: Sehr geehrter Herr Minister Dr. Jung, am 23. Februar steht die vorgezogene Bundestagswahl an. Welche gesundheitspolitischen Themen sollten mit saarländischer Brille ganz oben auf der Agenda der neuen Bundesregierung stehen?
Minister Dr. Magnus Jung: Die Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung muss oberste Priorität haben. Mit der Krankenhausreform hat die Bundesregierung bereits einen wichtigen Schritt gemacht - diesen Weg gilt es konsequent weiterzugehen. Die Bundestagswahl und die anschließenden Koalitionsverhandlungen eröffnen hier außerdem die Möglichkeit, bestimmte Punkte nachzuverhandeln. Ich denke da an die Betriebskosten der Krankenhäuser, für die wir auch im Saarland zusätzliche Soforthilfen benötigen. Auch in Bezug auf Struktur- und Personalisierungsvorgaben wünsche ich mir mehr Spielraum für Abweichungen.
Dr. Magnus Jung
Darüber hinaus gibt es noch einige bedeutende Punkte im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, die noch nicht umgesetzt wurden. Das Pflegekompetenzgesetz, die Reform der Notfallversorgung - das sind alles Maßnahmen, die dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Pflegebedarfs zukunftsfähig zu gestalten.
Auch in der ambulanten Versorgung gibt es Handlungsbedarf. Die Bedarfsplanung muss kritisch überprüft werden, um lange Wartezeiten zu reduzieren und eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. Doch all diese Maßnahmen stehen und fallen mit ausreichend Fachpersonal. Deshalb muss die neue Bundesregierung die bereits begonnenen Maßnahmen zur Stärkung der Pflege sowie zur Verbesserung der Fachkräfteeinwanderung konsequent weiterführen.
TK: Eine große Debatte, die seit Jahren geführt wird, dreht sich um die Finanzen der GKV. Die Ausgaben steigen immer weiter, auch werden viele versicherungsfremde Leistungen durch die GKV geschultert. Wo sehen Sie hier die größten Stellschrauben, an denen gedreht werden müsste?
Die finanzielle Situation der GKV ist zweifellos besorgniserregend. Daher müssen sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben genau analysiert werden, versicherungsfremde Leistungen müssen steuerfinanziert werden.
Minister Dr. Jung: Die finanzielle Situation der GKV ist zweifellos besorgniserregend. Daher müssen sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben genau analysiert werden, versicherungsfremde Leistungen müssen steuerfinanziert werden. Ein zentraler Punkt ist die Rolle der Privaten Krankenversicherung. Alle Patientinnen und Patienten sollten den gleichen Zugang zu einer hochwertigen medizinischen Versorgung haben. Gleichzeitig sollten alle Versicherungen - unabhängig davon, ob gesetzlich oder privat - auch gleichermaßen zur Finanzierung des Gesundheitssystems beitragen. Die beste Maßnahme für eine solidarische Finanzierung der Ausgaben wäre meiner Ansicht nach daher weiterhin die Einführung einer "Bürgerversicherung".
TK: Auf Grund des Fachkräftemangels müssen die Strukturen im Gesundheitswesen reformiert werden. Wie können Patientinnen und Patienten besser in die individuell passenden Versorgungsstrukturen gesteuert werden, gerade mit Blick auf das Saarland?
Minister Dr. Jung: Eine bessere Steuerung ist eine der wesentlichen Herausforderungen im Gesundheitswesen. Eine gute Steuerung kann zu schnellen und besseren Behandlungen, einer Entlastung der Arztpraxen sowie des dortigen Personals und außerdem zu Einsparungen bei den Krankenkassen führen. Hierzu sind insbesondere die Hausärztinnen und -ärzte zu stärken und telemedizinische Angebote aufzubauen. Zwangsmaßnahmen oder die Einschränkung der freien Arztwahl sind keine geeigneten Instrumente.
TK: Im Bereich Pflege gibt es viele Probleme, die angegangen werden müssen. Von der Finanzierung, über die Eigenanteile, bis hin zur überbordenden Bürokratie. Wo würden Sie ansetzen?
Minister Dr. Jung: Nach der Bundestagswahl werde ich mich für eine nachhaltige Finanzreform der Pflegeversicherung einsetzen. Die Grundlagen dafür sind bereits erarbeitet. Ein zentrales Anliegen bleibt für mich die Reduzierung der Eigenanteile für Pflegebedürftige in der Langzeitpflege. Zudem setze ich mich dafür ein, dass Pflegekräfte alle Tätigkeiten ausüben dürfen, für die sie qualifiziert sind. Das Pflegekompetenzgesetz, das hierzu auf den Weg gebracht wurde, muss nach der Wahl konsequent umgesetzt werden.
TK: Im Bereich Digitalisierung sind wir in der vergangenen Legislaturperiode ein paar Schritte weitergekommen. Wo kann sie hier an der Saar weitere Vorteile bringen? Wie profitieren die Versicherten davon?
Die Digitalisierung bietet enorme Chancen für eine effizientere und sicherere Gesundheitsversorgung.
Minister Dr. Jung: Die Digitalisierung bietet enorme Chancen für eine effizientere und sicherere Gesundheitsversorgung. Ein gutes Beispiel ist die elektronische Patientenakte (ePA), die derzeit in Modellregionen getestet wird. Sie ermöglicht es, Befunde und Untersuchungsergebnisse digital zu speichern und für behandelnde Ärztinnen und Ärzte zugänglich zu machen. Dadurch können unnötige Mehrfachuntersuchungen vermieden und das System insgesamt entlastet werden.
Ein entscheidender Vorteil für die Patientinnen und Patienten ist die erhöhte Sicherheit: Ärztinnen und Ärzte haben jederzeit Zugriff auf alle relevanten medizinischen Daten, was die Diagnostik und Behandlung verbessert.
Zur Person
Dr. Magnus Jung gehört seit 2009 dem saarländischen Landtag an. Der SPD-Politiker war von 2014 bis 2022 stellvertretender Fraktionsvorsitzender und war in der vergangenen Legislaturperiode als gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion auch Vorsitzender des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Seit 26. April 2022 ist er als Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit vereidigt.
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