Das deutschen Gesundheitssystem ist eines der teuersten der Welt. Doch die Zufriedenheit damit nimmt bei den Patientinnen und Patienten immer mehr ab und auch die Ärzteschaft beklagt sich über Probleme. Außerdem liegt Deutschland bei der Lebenserwartung in Europa teils deutlich hinter der Spitze, obwohl es im Vergleich zu anderen Industrieländern deutlich mehr Geld für das Gesundheitswesen aufwendet. Zu den genannten Problemen gibt es eine weitere riesige Herausforderung: den demografischen Wandel. Seinetwegen scheidet immer mehr medizinisches Fachpersonal aus dem Berufsleben aus und gleichzeitig gibt es durch die alternde Gesellschaft eine steigende Nachfrage nach medizinischer Versorgung. 

Stefan Groh

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Leiter der TK-Landesvertretung Saarland

Fehlende Orientierung als Problem

Vor diesem Hintergrund besonders problematisch ist die aktuell fehlende Orientierung im Gesundheitssystem. Viele Menschen wissen häufig nicht, wo sie mit ihren Beschwerden richtig aufgehoben sind und wo ihnen adäquat geholfen werden kann. Das kann man niemandem vorwerfen, schließlich geht es um komplexe medizinische Anliegen. Die Undurchsichtigkeit des Systems trägt jedoch zu einer ineffizienten Inanspruchnahme der Versorgungskapazitäten bei und äußert sich in langen Wartezeiten für Facharzttermine oder überfüllten Notaufnahmen. Dieses Problem hat auch die neue Bundesregierung erkannt. In dem Koalitionsvertrag wird ein Primärarzt-System und eine digitale Ersteinschätzung vorgeschlagen. Auch die TK hat Vorschläge in die Diskussion eingebracht, um die Patientinnen und Patienten möglichst zeitnah in die notwendigen Behandlungspfade zu lotsen. Digital vor ambulant vor stationär ist dabei die Devise.

Klare standardisierte Wege dank digitaler Unterstützung

Grundlage des Konzepts soll eine digitale, standardisierte Ersteinschätzung des medizinischen Behandlungsbedarfs sein. Wichtig ist, dass diese überall gleich durchlaufen wird - egal ob über eine App, telefonisch in der Arztpraxis, beim Bereitschaftsdienst der 116 117 oder am Tresen im Krankenhaus oder der Praxis. Je nach Fall kann es verschiedene Empfehlungen geben:

  • Ein Arzt-Patientenkontakt ist nicht notwendig und die Beschwerden, etwa von einer Erkältung, können niedrigschwellig zu Hause selbst oder mit telemedizinischer Unterstützung gemanagt werden.
  • Müssen die Symptome ärztlich geprüft werden, wird über eine digitale Terminserviceplattform ein Termin bei einem Hausarzt bzw. einer Hausärztin vermittelt - ggf. auch eine Videosprechstunde. Den Hausärztinnen und -ärzten kommt eine stärkere Koordinierungsfunktion zu: Sie steuern die weitere Behandlung auch in Richtung der fachärztlichen Versorgung.
  • In bestimmten Fällen soll auch ein direkter Weg zu Facharztpraxen möglich sein, zum Beispiel bei gynäkologischen Untersuchungen. Auch hier wird über die Plattform ein zeitnaher Termin in einer entsprechenden Praxis vermittelt.
  • Bei einem Notfall wird der Patient oder die Patientin direkt in ein Integriertes Notfallzentrum geleitet beziehungsweise angewiesen, einen Notruf zu tätigen.

Anpassungen notwendig

Damit das alles auch in der Praxis umgesetzt werden kann, sind einige Anpassungen nötig. So ist eine flächendeckende digitale Infrastruktur essenziell. Nur dann können die digitale Ersteinschätzung und die Terminplattform reibungslos funktionieren. Außerdem müssen rechtliche Rahmenbedingungen angepasst werden - etwa die Kompetenzen von nichtärztlichem Personal. Diese müssen erweitert werden, um mehr Delegation zu ermöglichen. Künstliche Intelligenz kann bei der Automatisierung administrativer Abläufe helfen und so Effizienzgewinne realisieren, was wiederum zu mehr Zeit für die Belange der Patientinnen und Patienten führt. Wir sind davon überzeugt: Die Versorgung entlang des Prinzips "digital vor ambulant vor stationär" zu strukturieren, kann einen wesentlichen Beitrag zur Optimierung der Gesundheitsversorgung leisten und dadurch Kapazitäten effizienter und bedarfsgerechter nutzbar machen.